Forschungsthema
Das Genus Pestivirus

Das Virus der bovinen Diarrhoe (BVDV-1, BVDV-2), das Virus der klassischen Schweinepest und das border disease Virus der Schafe bilden das Genus Pestivirus in der Virusfamilie Flaviviridae. Bei diesen Viren handelt es sich um wirtschaftlich hoch relevante Tierseuchenerreger. Zur selben Familie gehören außerdem das Genus Flavivirus mit Vertretern wie Frühsommermeningeo-encephalitisvirus, Gelbfiebervirus und Dengue Virus sowie das Genus Hepacivirus mit dem humanpathogenen Hepatitis C Virus (HCV). Derzeit werden im Institut Vertreter aller drei Genera in wissenschaftlichen Projekten untersucht.

Das BVD Virus ist von hoher ökonomischer Relevanz, da es in der Rinderhaltung zu massiven Verlusten führt. Bei einer Infektion von trächtigen Tieren kann das BVDV zu Aborten, Missbildungen oder Kälbern mit lebenslang persistierenden Infektionen führen. Daher gilt BVDV auch als ein Modell für Viruspersistenz.

Eine weitere Besonderheit der Pestiviren ist das Auftreten von RNA-Rekombi-nationsereignissen zwischen mRNAs der Wirtszelle und dem viralen RNA Genom. Die resultierenden Viren kodieren zusätzlich zu den viralen Proteinen auch ein Wirtsprotein, wie z. B. Ubiquitin, wodurch es zu einer veränderten Prozessierung des viralen Polyproteins kommt. Diese RNA Rekombinationsereignisse führen zu einer Deregulation der viralen Persistenz und zum Tod des Tieres. Diese Ereignisse veranschaulichen, dass RNA Viren für ihre Evolution Zugriff auf den mRNA Pool ihres Wirtes haben. Daher sind Pestivieren ein Modell für RNA Rekombinationen und Virusevolution.

Pestiviren sind kleine (40-60 nm) behüllte Viren, deren Genom aus einer einzelsträngigen RNA positiver Polarität mit meist etwa 12.300 Nukleotiden besteht. Das Genom der Pestiviren ist eine einzelsträngige RNA positiver Polarität. Die Proteinexpression erfolgt über Translation eines Polyproteins, welches durch zelluläre und virale Proteasen in die funktionellen Virusproteine gespalten wird.

 

Untersuchungen zur Prozessierung des viralen Polyproteins und der daran beteiligten Enzyme sind einer der Arbeitsschwerpunkte der AG. Besonderes Interesse gilt dabei der Prozessierung des Nichtstrukturproteins 2-3 (NS2-3), da das Ausmaß der NS2-3 Spaltung mit der Zytopathogenität von Pestiviren korreliert. Entsprechend sind Pestivirusstämme, welche eine effiziente NS2-3 Spaltung aufweisen, in der Zellkultur zytopathogenen (zp) und solche bei denen nur eine geringgradige NS2-3 Spaltung auftritt nicht zytopathogen (nzp). Aktuelle Untersuchungen haben gezeigt, dass im NS2 der Pestiviren eine Protease existiert, welche die NS2-3 Spaltung katalysiert. Die Regulation dieser NS2-Protease und ihr Einfluss auf die pestivirale Replikation und Zytopathogenität sind Kernpunkte unserer Untersuchungen. Ziel unserer Forschung ist auch herauszufinden, welche weiteren zellulären Faktoren die pestivirale Replikation beeinflussen.

Interessanterweise benötigen die Pestiviren zur Bildung neuer Virionen ungespaltenes NS2-3. Dies ist beim Hepatitis C Virus nicht der Fall. Unsere aktuellen Untersuchungen haben gezeigt, dass Pestiviren an eine Virionmorphogenese in Abwesenheit von ungespaltenem NS2-3 adaptiert werden können. Weitere Arbeiten zielen auf die Aufklärung der Mechanismen, die der Virionmorphogenese mit bzw. ohne ungespaltenem NS2-3 zugrunde liegen.

Aktuell werden auch verschiedene andere NS Proteine, z. B. NS5A, detailliert bezüglich ihrer Rolle in der viralen RNA Replikation untersucht.